Der Urknall und die Gottesfrage, 11.12.15 Astronomischer Abend

Bei der „Astronomischen Nacht“ führte Professor Dr. Thomas Schimmel vom Institut für Angewandte Physik an der Universität Karlsruhe – KIT begeisterte Zuhörer von der unvorstellbaren Winzigkeit der Atome bis in die nicht mehr zu erfassende Größe des Alls und erläuterte in einem mitreißenden Vortrag, warum Naturwissenschaft und Glaube kein Gegensatz ist.

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Beginnen wir mit einer schlechten Nachricht. Unsere Milchstraße und der Andromeda-Nebel befinden sich auf Kollisionskurs. Die Explosion wird keiner überleben. Das Gute daran ist nur: Wir müssen uns nicht allzu große Sorge machen, da sich das Ereignis noch etwa ein bis zwei Milliarden Jahre hinziehen wird.

In seinem Vortrag Ein Streifzug vom inneren der Atome bis an die Grenzen des Universums, der auch für Nicht-Physiker nachvollziehbar und inspirierend war, gab es eine Fülle solcher unglaublicher Beispiele, die Zuhörerinnen und Zuhörer gleichermaßen schmunzeln und nachdenken ließen. Aber eins nach dem anderen.

Der 2011 von Bernhard Schorp ins Leben gerufene „Astronomische Abend“, der von Mark Stengel und Markus Dutzi weitergeführt wird, begann mit einleitenden Worten von Herrn Stengel, der seiner Freude über die zahlreichen externen Besucher Ausdruck verlieh. Begleitet von den Bühler Sternguckern, die eigene fantastische Astrofotografie mitgebracht hatten, begann ein Streifzug durch die Galaxie.

Prof. Dr. Thomas Schimmel, deutschlandweit anerkannter Experte für den Bereich der Nanotechnologie, begann seinen Vortrag mit einigen Worten über sein Fach: Die Nanotechnologie.

„Nano-Technologie im Supermarkt“

So erklärte er, dass auf einem handelsüblichen USB-Stick mehr Transistoren montiert seien, als es Menschen auf der Erde gibt. Nicht schlecht für ein technisches Hilfsmittel, das mittlerweile für 4 Euro zu haben ist. Den eigenen Arbeitsbereich erläuterte er mithilfe eines weiteren Vergleichs: 1 Millionen Kupferdrähte, die in dem Bereich der Nanotechnologie zusammengefasst sind, seien immer noch dünner als eine Menschenhaar. Hier lägen Potentiale, die den Energieverbrauch stark verringern könnten.

Nun sollte es aber nicht um die Fachrichtung im Besonderen, sondern um eine große, übergeordnete Frage gehen: Gab es einen Anfang und, wenn ja, wer hat angefangen. Diese Frage war es eben, die Naturwissenschaft und Glaube miteinander verbinden sollte, denn die Genauigkeit und Präzision, mit der die Naturgesetze funktionieren, wie sie funktionieren, seien eigentlich so unwahrscheinlich, dass man kaum noch in der Kategorie „Zufall“ denken könne.

„Die Botschaften von Physikern sind nicht von Menschen geschrieben“

So ging Prof. Dr. Schimmer während des Vortrags immer wieder darauf ein, dass Physiker, Astronomen und Nanotechnologen eigentlich nichts selbst erschaffen könnten. Vielmehr seien sie Protokollanten eines Systems, das in sich perfekt sei. Erstaunlicher Weise gaben die weltbekannten Naturwissenschaftler an, hinter den Dingen einen Gott zu vermuten. Einstein sagte dazu: „Ich will Gottes Gedanken kennen. Der Rest sind Details.“

Auch der 2006 mit dem Physik-Nobelpreis geehrte George S. Smoot, der die Eigenschaften des ersten Lichts des Universums untersucht hatte, nannte dieses in einer berühmt gewordenen Pressekonferenz „Das Angesicht Gottes“. Das Problem, mit dem sich die Menschen abfinden müssen, ist nur: In die ersten 10 hoch -43 Sekunden der Geschichte des Universums lässt sich nicht hineinblicken. Ist die Zahl auch so unvorstellbar klein, dass sie kaum von dieser Welt ist, passierte hier jedoch das, was als Urknall bekannt ist: ein kleines, aber fertiges Universum entstand.

„Wir sind dem Universum egal, aber nicht dem, der es gemacht hat“

Das Faszinierende am Vortrag Prof. Dr. Schimmels war die Anschaulichkeit, mit der er das zahlreich erschienene Publikum immer wieder in seinen Bann zog. So auch beim Gedankenexperiment, das die Unwahrscheinlichkeit der Naturgesetze zeigen sollte. Ein Ein-Cent-Stück haltend erklärte er, ein Scharfschütze müsse dieses aus einer bestimmten Entfernung treffen, damit alles im Universum und auf der Erde sei, wie es ist. Mehr noch: Damit der Mensch überhaupt existieren können. Wie weit wäre die Entfernung?

Kein Kilometer, nicht der Abstand zwischen Bühl und Kehl. Nicht der Abstand zwischen Mond und Erde, der immerhin 384.000 Kilometer ist. Nein, auch nicht der Abstand zwischen Erde und Sonne, der etwa 8,3 Lichtminuten bräuchte (Zur Veranschaulichung: Das Licht legt 300.000 Kilometer pro Sekunde zurück). Nein, derjenige, der das Centstück hielte, müsse am anderen Ende des beobachtbaren Universums stehen. Das Licht bräuchte für diesen Abstand 10.000 Millionen Jahre. Und das Centstück müsste getroffen werden. Diese „verrückt genaue Zahl“, zeige, dass es jemanden geben müsse, der hinter dem Universum stehe. Anders gesagt: Wäre eine Zahl der allgemeinen Naturgesetze nur um ein Millionstel anders, würde es den Mensch nicht geben.

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Cäsars Moleküle

Aber nicht nur im Großen, sondern auch im absurd Kleinen hörten die Zuhörerinnen und Zuhörer an diesem besonderen Abend Erstaunliches. So sei einmal Ausatmen so reich an Molekülen, dass man – statistisch gesehen – davon ausgehen könne, dass jeder von uns in genau dieser Sekunde ein Molekül des letzten Atemzugs von Julius Cäsar einatmen würde. „Ein völlig neuer Blick auf die Weltgeschichte“, so Schimmel, „den man besser nicht vertiefen sollte.“

„Wissenschaft und Glaube keine Gegensätze“

Nach dem gedanklichen Flug durch die kleinsten Teilchen der Welt, der Neutrinos, oder „Geisterteilchen“, sie sogar kleiner sind als Atomkerne und nach den unglaublichen Weiten des Alls, führte der Vortrag zu der Erkenntnis, dass Wissenschaft und Glaube keine – wie häufig angenommen – Gegensätze seien. Vielmehr „ergänzen und bedingen sie einander“, wie schon Max Planck zu Beginn seiner Quantentheorie hervorhob. Die Welt, das Universum, zeige, im Makro- wie im Mikrokosmos, dass es nicht darum gehen könne, dass man Gott finde; „Nicht wir müssen Gott finden, Gott findet uns.“

Der kleine Mensch auf der kleinen Welt in der kleinen Milchstraße in der kleinen Galaxie zwischen Millionen Galaxien als derjenige, der erwählt wurde, ein Leben zu leben? Dieser Abend, der mit einem kleinen Geschenk der ehemaligen Studentin Prof. Dr. Schimmels, Stefanie Maschner, und einigen Abschlussworten von Initiator Mark Stengel endete, ließ den einen oder anderen in Gedanken an die wundervolle Unfassbarkeit des Lebens zurück.

Text: Bob Blume; Bilder: Leon Bentrup